(Auszüge aus: Sanitas. Das Kundenmagazin der Krankenversicherung Sanitas. März 2009 Ausgabe 1)
Nach Prof. Jäncke ist Ritalin "einer der wohl unter Kindern und Jugendlichen am weitesten verbreiteten Hirndopingsubstanzen"!
Jäncke: ..... und das ist meine Hauptkritik an der ganzen Hirndopinggeschichte: Wer eine Droge einwirft, ist immer von aussen geleitet. Er ist nicht der Akteur, der Agent seines Handelns und Denkens, sondern ist fremdbestimmt. - Wenn nun schon ein Kind lernt. das es nur gut ist, wenn es eine Pille schluckt, wird sich dieser Mechanismus bis ans Ende seines Lebens einschleifen. Das halte ich für eine verheerende Entwicklung.
Wie kommen denn Kinder und Jugendliche an all diese Substanzen?
Jäncke: Kinder werden wohl von ihren Eltern "versorgt". Die gewaltig steigenden Umsatzzahlen von Ritalin und verwandten Medikamenten deuten darauf hin, dass die Verschreibungspraxis der Ärzte stark ausgeweitet wurde............
Gibt es auch Methoden, unser Gehirn auf gute, sinnvolle Art zu dopen?
Jäncke: das schönste Doping ist, sich ein Gefühl zu schenken, das nur der Mensch sich selbst bereiten kann: Stolz. Stolz ist gesundes Doping, nach dem man süchtig werden kann, und es tritt immer dann ein, wenn der Mensch ein Ziel erreicht, eine Aufgabe gelöst hat, die so schwierig war, dass er daran auch hätte scheitern können.
Dazu müssen aber bereits Kinder die Erfahrung machen, dass sie selbst in der Lage sind, etwas zu leisten. Frei von Ritalin und ähnlichen Pillen.
Jäncke: das ist tatsächlich der entscheidende Punkt. Wir müssen unseren Kindern wieder Selbstkontrolle beibringen und sie mit einem Training ihrer Selbstverantwortung, Aufmerksamkeit, Planung, Konzentration und Impulskontolle konfrontieren.
Was heisst das konkret?
Jäncke: Das Schlimmste ist, ihn tun und machen zu lassen, was er will. Laissez-faire. Dann trinkt er nur noch Red Bull, schaut stundenlang fern und macht Baller- und Autorennspiele am Computer, die süchtig machen können und zu überhaupt nichts taugen. Entscheidend ist, dass der Zwölfjährige Aufgaben übernimmt, zum Beispiel einmal wöchentlich in den Musikunterricht geht und zweimal zu Hause übt.Dazu müssen verbindliche Termine mit ihm vereinbart werden. Wenn er etwas im Fernsehen schauen will, darf er das, aber nur während einer bgrenzten Zeit. Auch für seine Computerspiele verfügt er über ein Konto von - sagen wir - fünf Stunden pro Woche, das er selbst verwaltet. An den Eltern ist es zu kontrollieren, dass er die Abmachungen einhält. Interessanterweise merken solche Kinder ziemlich schnell, dass ihr Leben viel spannender wird, als wenn sie ihre ZEit ständig vor irgendeinem Bildschirm verplempern.
Wir können unser Hirn also trainieren wie einen Muskel?
Jäncke: Genauso ist es. Die Neurobiologie hat erkannt, dass unser Hirn wie Knetmasse ist. Wird es beansprucht, lassen sich teilweise schon nach 5 Tagen anatomische Veränderungen unserer berühmten grauen Zellen feststellen. Übung macht den Meister - und kein, wie auch immer geartetes, Hirndoping.
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Prof. Lutz Jäncke, Professor für Neuropsychologie (Bild: Roger Nickl)
Prof. Dr. rer. nat. Lutz Jäncke
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